Beitrag: “Wenn der Vorurf des Bias biased ist”

Kürzlich habe ich andächtig einem Vortrag zum Thema "Aversive Methoden im Hundetraining" gelauscht. Es war ein Vortrag einer Person, die Strafen im Hundetraining befürwortet hat. Was dann folgte, liess mich jedoch ein wenig aufhorchen.

Fast alle Studien, so diese Person, seien "biased" zu Gunsten des positiven Hundetrainings. Dies, weil die meisten dieser Arbeiten von "Institutes of Animal Welfare" durchgeführt wurden. Also Forschungseinrichtungen, die sich mit Tierwohl beschäftigten.

Bei solchen Aussagen stellt sich mir immer die Frage: Ist der Vorwurf des Bias nicht selbst ein Bias? Kann man sämtliche Arbeiten, von unterschiedlichen Forschungseinrichtungen aus Portugal, Grossbritannien, Österreich, Ungarn oder der Schweiz per se als “biased” betiteln? Ist man da nicht selbst irgendwie voreingenommen?

Einzig die Arbeit von Johnson & Wynne von 2024 wurde gelobt. Ein Experiment, das dermassen grobe methodische Mängel aufwies, dass nun selbst der Autor des Trainingsprotokolls, nachdem Johnson & Wynne gearbeitet haben, starke Kritik formuliert hat (Bangura, 2025):
This commentary critically evaluates a recent study by Johnson and Wynne (2024) on training methods for dogs with high-arousal chase behaviors. The study compared electronic collar (e-collar) usage with positive reinforcement protocols. However, it prominently referenced a positive reinforcement guide (Bangura, 2024) without implementing key aspects of that protocol, such as tailoring rewards to each dog's preferences or incrementally proofing behaviors at gradually increasing levels of distraction. Consequently, the authors concluded that e-collar training was more effective, but their methodology overlooked fundamental best practices of non-aversive methods, including precise reward timing and the necessity of disengagement from the chase before a treat is offered. This imbalance raises questions about the study's validity and the reliability of its conclusions regarding canine welfare and training efficacy.

Und dies war nicht die erste Kritik an dieser Arbeit, bereits Bastos, Warren & Krupenye haben sich 2024 ähnlich geäussert:
Here, we raise questions about the suitability of the training protocols and challenge the conclusion that shock collars impose minimal welfare impacts.

Die eingangs erwähnte Person hat ihrem Vortrag mehrmals erwähnt, dass positives Hundetraining “weder effektiver noch funktionaler sei”. Und genau hier frage ich mich dann: Um was geht es denn genau?

Eine (fundamentale) Fehlannahme ist oftmals, dass wir positiv arbeitenden Trainer:innen aversive Methoden ablehnen würden, weil sie nicht funktionieren würden. Das ist aber schlichtweg falsch und keine kompetente Trainingsperson behauptet dies. Es geht vielmehr ums Tierwohl und den mit aversiven Methoden verbundenen Risiken, die wir ablehnen (von daher sind doch Institute für Tierwohl sehr gut geeignet, um dies zu untersuchen, nicht?). Es geht um Verunsicherung, Angst und Schmerz beim Hund und dass wir Trainer:innen Methoden ablehnen, die genau dies verursachen. Es geht um Methoden, die das Risiko bergen, Angst- oder Aggressionsverhalten auszulösen, die wir nicht anwenden. Und nicht darum, wie schnell und effizient etwas trainiert werden kann. Tierwohl vor Effizienz!

Und selbst bezüglich Effizienz lässt sich die Frage stellen: Ist dem wirklich so? Sind aversive Methoden effizienter als belohnungsbasiertes Training?
Antwort: Jein. Wenn ich mit starken aversiven Methoden arbeite, z. Bsp. wirklich harte Strafen, kann aversives Training effizienter sein. Dies, weil wir dann mit sogenannten Furchtkonditionierungen arbeiten, die bereits beim ersten Einwirken auf den Hund passieren können. Nur eben sind Furchtkonditionierungen im Hundetraining schon nur rechtlich heikel: Im Schweizer Tierschutzgesetz steht nämlich geschrieben, als dass ein Hund “nicht in Angst versetzt” werden darf und ihm “keine Schmerzen zugefügt werden” dürfen. Bei Furchtkonditionierungen, also Strafen wie das Aufhängen, den Alpha-Wurf oder auch das Bewerfen des Hundes mit Plastikflaschen, passiert sicherlich Ersteres, Zweiteres gegebenenfalls auch. Das heisst, dass wir hier definitiv tierschutzwidrig handeln, sofern wir solche “Trainingsmethoden” einsetzen.

Arbeiten wir mit aversiven Methoden ausserhalb von Furchtkonditionierungen, sind diese Methoden nicht effizienter als positives Hundetraining, wie mehrere wissenschaftliche Arbeiten aufgezeigt haben (u. a. Haverbeke et al, 2008; Vieira de Castro et al, 2021).

Wenn ich mir also vorwerfen lassen muss, ich sei diesbezüglich biased, dann muss klar sein: Ich werde immer biased sein, wenn es um mehr Tierwohl geht.

QUELLEN

Bangura, Will. "A Critical Evaluation of Johnson and Wynne's (2024) Methodology in Comparison of the Efficacy and Welfare of Different Training Methods in Stopping Chasing Behavior in Dogs." Available at SSRN 5154127 (2025).

Bastos, Amalia PM, Elizabeth Warren, and Christopher Krupenye. "What evidence can validate a dog training method?." Learning & Behavior (2024): 1-2.

Haverbeke, Anouck, et al. "Training methods of military dog handlers and their effects on the team's performances." Applied Animal Behaviour Science 113.1-3 (2008): 110-122.

Johnson, Anamarie C., and Clive DL Wynne. "Comparison of the efficacy and welfare of different training methods in stopping chasing behavior in dogs." Animals 14.18 (2024): 2632.

Vieira de Castro, Ana Catarina, et al. "Improving dog training methods: Efficacy and efficiency of reward and mixed training methods." Plos one 16.2 (2021): e0247321.

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